- Stalinnote und Volksaufstand in der DDR
- Stalinnote und Volksaufstand in der DDRDer sich abzeichnenden Westintegration der Bundesrepublik Deutschland begegnete Stalin im Frühjahr 1952 mit einer überraschenden diplomatischen Offensive: Er bot den Westmächten neue Verhandlungen über ein wieder vereinigtes, neutrales Gesamtdeutschland (ohne die ehemaligen Ostgebiete) an. In London, Paris und Washington wurde die Note Stalins jedoch als Störmanöver angesehen und rasch abgelehnt. Da auch Bundeskanzler Adenauers Politik längst auf eine Westbindung der Bundesrepublik ausgerichtet war, wurde die Ernsthaftigkeit des sowjetischen Angebotes gar nicht erst geprüft.Auf die Unterzeichnung des EVG-Vertrages am 27. Mai 1952 reagierte die Sowjetunion mit einer drastischen Reduzierung der Grenzübergänge an der Zonengrenze und in Berlin. Die seit dem Entstehen beider deutscher Staaten anhaltende außergewöhnliche Flüchtlingsbewegung aus der DDR in die Bundesrepublik wurde dadurch nicht beeinträchtigt, sie wuchs vielmehr in der zweiten Jahreshälfte 1952 und besonders in den ersten fünf Monaten des Jahres 1953 beträchtlich an. Der innenpolitische Druck des SED-Regimes, der verstärkte Ausbau des Sozialismus und die - im Vergleich zur Bundesrepublik - anhaltend schlechte Versorgungslage waren die Gründe für die Massenflucht aus der DDR.Stalins Tod am 5. März 1953 ließ die Hoffnung aufkommen, dass sich das starre Herrschaftssystem auflockern und den Satellitenstaaten mehr Bewegungsfreiheit bringen würde. In der DDR kursierten Gerüchte, dass der starr am stalinistischen Kurs festhaltende SED-Generalsekretär Walter Ulbricht (1893 bis 1973) auf Geheiß der Machthaber in Moskau abgelöst werden sollte. Tatsächlich musste das SED-Politbüro Ende Mai 1953 wirtschaftliche Zugeständnisse machen und einen »neuen Kurs« ankündigen. Doch eine erst am 17. Mai 1953 verfügte Normenerhöhung für Industrie- und Bauarbeiter, die erhebliche Unruhe in der Arbeiterschaft erzeugt hatte, wurde nicht zurückgezogen.Aus Protest gegen diese erhöhten Arbeitsnormen begannen am 16. Juni 1953 Streiks der Arbeiter auf den Baustellen der Stalinallee in Ost-Berlin. Sie erfassten mit Demonstrationen bald ganz Ost-Berlin. Zunehmend wurden auch politische Ziele proklamiert und für den folgenden Tag ein Generalstreik ausgerufen, der am 17. Juni auf weite Teile der DDR übergriff. In mehr als 270 Orten, vornehmlich in Industriezentren und größeren Städten wie Halle, Magdeburg und Erfurt, kam es zu Arbeitsniederlegungen und Demonstrationen. Dabei wurden der Rücktritt Ulbrichts und der Regierung, die Wiederherstellung der deutschen Einheit und freie Wahlen gefordert.Die SED-Führung war außerstande, dem Aufstand zu begegnen. Sowjetische Truppen warfen ihn jedoch unter Einsatz von Panzern noch am 17. Juni nieder. Es gab Tote und Verletzte sowie zahlreiche Verhaftungen; mindestens 1400 Personen wurden wegen ihrer Teilnahme an dem von »faschistischen Provokateuren« aus der Bundesrepublik initiierten Aufstand zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt.Die SED musste zwar die Normenerhöhungen auf den Stand von Ende März 1953 zurücknehmen; die Stellung Ulbrichts hatte sich jedoch gefestigt, und am 25. März 1954 gab die UdSSR eine Souveränitätserklärung für die DDR ab.
Universal-Lexikon. 2012.